Einkommensunterschiede in Europa: Wer profitiert und wer bleibt zurück?

Coco Rosenberg am 03.09.2024 ca. 1887 Worte Lesezeit ca. 6 Minuten
Einkommensgefälle in Europa: Wer profitiert, wer verliert?
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Inhalt:
  1. In welchem Ländern in Europa verdient man am besten?
  2. Deutschland im europäischen Gehaltsvergleich: Was bleibt nach Steuern übrig?
  3. EU-Länder mit günstiger Brutto-Netto-Relation: Warum Arbeitnehmer in einigen Ländern mehr Netto vom Brutto behalten

In einer Zeit, in der wirtschaftliche Ungleichheiten immer mehr in den Fokus rücken, stellt sich die Frage nach den Einkommensunterschieden innerhalb der Europäischen Union mit zunehmender Dringlichkeit. Die EU, eine Region, die sich durch ihre kulturelle Vielfalt und wirtschaftliche Zusammenarbeit auszeichnet, umfasst Länder mit unterschiedlichsten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Lebensstandards. Trotz gemeinsamer Marktregeln und freiem Kapital- sowie Arbeitsverkehr, zeigt sich die Realität der Einkommensverteilung innerhalb der Union sehr differenziert.

Während in einigen Ländern der EU Arbeitnehmer von hohen Löhnen und einem gut ausgebauten sozialen Sicherungssystem profitieren, kämpfen in anderen Regionen Menschen trotz Vollzeitbeschäftigung mit finanziellen Herausforderungen. Diese Disparitäten werfen Fragen auf: Welche Faktoren beeinflussen das Einkommen in den einzelnen Mitgliedsstaaten? In welchen Branchen und Ländern werden die höchsten Gehälter gezahlt, und welche Bevölkerungsgruppen profitieren am meisten? Doch nicht nur das absolute Einkommen ist von Interesse, sondern auch die Kaufkraft und das subjektive Wohlstandsempfinden der Bürger.

Aieser Artikel zielt darauf ab, die Mechanismen hinter den Einkommensunterschieden in der EU zu beleuchten und die Auswirkungen auf die Menschen und die Wirtschaft zu analysieren. Dabei wird nicht nur ein Blick auf die aktuellen Zahlen und Statistiken geworfen, sondern auch auf die tieferliegenden Gründe, die zu den bestehenden Ungleichheiten führen.

In welchem Ländern in Europa verdient man am besten?

Das Land mit den höchsten durchschnittlichen Gehältern in Europa ist die Schweiz, auch wenn sie kein Mitglied der Europäischen Union ist. Innerhalb der EU führt Luxemburg die Liste an.

1. Schweiz: In der Schweiz liegt das durchschnittliche Bruttojahresgehalt bei etwa 90.000 bis 100.000 CHF (rund 83.000 bis 92.000 Euro). Bestimmte Branchen wie der Finanzsektor, die Pharmaindustrie und die Technologiebranche bieten sogar noch höhere Gehälter, mit Spitzengehältern, die oft weit darüber hinausgehen. Diese hohen Gehälter reflektieren die starke Wirtschaft und die hohe Produktivität des Landes. Allerdings gehen sie auch mit hohen Lebenshaltungskosten einher, insbesondere in Städten wie Zürich und Genf.

2. Luxemburg: Innerhalb der Europäischen Union ist Luxemburg das Land mit den höchsten Durchschnittsgehältern. Das durchschnittliche Bruttojahresgehalt liegt hier bei etwa 65.000 bis 70.000 Euro. Luxemburg profitiert von seiner Rolle als internationales Finanzzentrum und der Tatsache, dass es ein kleines, aber wohlhabendes Land ist. Mit einer niedrigen Arbeitslosenquote und einem stabilen Arbeitsmarkt bietet Luxemburg attraktive Gehälter, insbesondere in der Finanz- und Versicherungsbranche. Die hohe Kaufkraft der Luxemburger Bevölkerung trägt zusätzlich zur Attraktivität des Landes bei.

3. Dänemark:In Dänemark liegt das durchschnittliche Bruttojahresgehalt bei etwa 55.000 bis 60.000 Euro. Das skandinavische Land bietet nicht nur hohe Gehälter, sondern auch ein starkes soziales Sicherungssystem und eine hohe Lebensqualität. Besonders in der Hauptstadt Kopenhagen sind die Gehälter im Vergleich zu anderen Regionen hoch. Branchen wie Informationstechnologie, Pharmazie und erneuerbare Energien sind in Dänemark besonders lukrativ.

4. Norwegen:Auch Norwegen, ein weiteres nicht-EU-Mitglied, aber Teil des Europäischen Wirtschaftsraums, verzeichnet hohe Gehälter. Das durchschnittliche Bruttojahresgehalt liegt hier bei etwa 50.000 bis 55.000 Euro. Norwegen profitiert von seiner reichen Erdöl- und Erdgasindustrie, was zu hohen Löhnen, insbesondere in diesem Sektor, beiträgt. Aber auch andere Branchen wie Technologie und Fischerei bieten attraktive Gehälter. Die Lebenshaltungskosten in Norwegen sind allerdings ebenfalls hoch, was die Kaufkraft relativiert.

5. Schweden:Schweden, ein weiteres skandinavisches Land, hat ebenfalls hohe durchschnittliche Gehälter. Das durchschnittliche Bruttojahresgehalt liegt bei etwa 45.000 bis 50.000 Euro. Schweden bietet eine starke Wirtschaft, ein ausgeprägtes Sozialsystem und eine hohe Lebensqualität, die sich in den Gehältern widerspiegeln. Besonders in den Sektoren Technologie, Automobilindustrie und Pharmazeutik sind die Gehälter wettbewerbsfähig. Die Hauptstadt Stockholm ist dabei das Zentrum für viele gut bezahlte Jobs.

6. Deutschland:In Deutschland liegt das durchschnittliche Bruttojahresgehalt bei etwa 45.000 bis 50.000 Euro. Deutschland ist die größte Volkswirtschaft Europas und bietet in vielen Sektoren, wie der Automobilindustrie, dem Maschinenbau und der Chemiebranche, attraktive Gehälter. Städte wie München, Frankfurt und Stuttgart sind bekannt für ihre hohen Lebenshaltungskosten, aber auch für überdurchschnittlich hohe Gehälter.

7. Niederlande:Die Niederlande haben ein durchschnittliches Bruttojahresgehalt von etwa 45.000 bis 50.000 Euro. Das Land ist ein bedeutendes Finanz- und Logistikzentrum in Europa und bietet besonders in den Bereichen Finanzen, Technologie und Handel hohe Gehälter. Amsterdam und Rotterdam sind wirtschaftliche Zentren, in denen viele gut bezahlte Arbeitsplätze konzentriert sind.

8. Irland:In Irland liegt das durchschnittliche Bruttojahresgehalt bei etwa 42.000 bis 47.000 Euro. Das Land hat sich zu einem wichtigen Technologie- und Finanzzentrum in Europa entwickelt, mit zahlreichen multinationalen Unternehmen, die hier ihren europäischen Hauptsitz haben. Dublin ist das Zentrum dieses wirtschaftlichen Booms und bietet entsprechend hohe Gehälter, besonders in den Sektoren Technologie und Finanzen.

9. Österreich:Österreich bietet ein durchschnittliches Bruttojahresgehalt von etwa 40.000 bis 45.000 Euro. Wien, die Hauptstadt, ist nicht nur ein kulturelles, sondern auch ein wirtschaftliches Zentrum mit hohen Gehältern, insbesondere in den Bereichen Finanzen, Maschinenbau und Dienstleistungen. Österreich zeichnet sich durch eine stabile Wirtschaft und ein starkes Sozialsystem aus.

10. Belgien:In Belgien liegt das durchschnittliche Bruttojahresgehalt bei etwa 40.000 bis 45.000 Euro. Als Sitz vieler europäischer Institutionen und internationaler Unternehmen, bietet Belgien, insbesondere in der Hauptstadt Brüssel, hohe Gehälter. Der Finanzsektor, das öffentliche Dienstwesen und die Pharmaindustrie sind in Belgien besonders gut bezahlt.

Deutschland im europäischen Gehaltsvergleich: Was bleibt nach Steuern übrig?

Deutschland gehört zu den Ländern in Europa mit relativ hohen durchschnittlichen Bruttojahresgehältern, liegt jedoch nicht an der Spitze. Mit etwa 45.000 bis 50.000 Euro durchschnittlichem Bruttojahresgehalt befindet sich die Bundesrepublik im oberen Mittelfeld der europäischen Gehaltsskala. Doch das Bruttogehalt erzählt nur die halbe Geschichte. Entscheidend ist, wie viel Netto vom Brutto übrig bleibt, und hier spielt das Steuersystem eine große Rolle.

Bruttogehalt vs. Nettogehalt:
Deutschland hat ein vergleichsweise hohes Steuer- und Abgabeniveau. Arbeitnehmer zahlen nicht nur Einkommensteuer, sondern auch Sozialabgaben, die Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung umfassen. Diese Abzüge summieren sich auf einen erheblichen Teil des Bruttoeinkommens. Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer in Deutschland kann je nach Steuerklasse, Familienstand und Einkommen mit einem Nettoanteil von etwa 55% bis 65% seines Bruttogehalts rechnen. Das bedeutet, dass von einem Bruttojahresgehalt von 50.000 Euro netto etwa 27.500 bis 32.500 Euro übrig bleiben.

Vergleich mit anderen Ländern:
Länder wie Luxemburg und die Schweiz, die höhere Bruttogehälter bieten, haben ebenfalls hohe Lebenshaltungskosten, aber auch ein günstigeres Steuerklima. In der Schweiz bleibt von einem hohen Bruttogehalt netto oft mehr übrig, da die Steuer- und Sozialabgabenlast in vielen Kantonen niedriger ist. Luxemburg, obwohl es auch hohe Abgaben hat, bietet durch sein starkes Steuerrecht und Sozialleistungen ebenfalls ein höheres Netto.

In Ländern wie Dänemark und Schweden, die ebenfalls hohe Bruttogehälter haben, ist die Steuerlast jedoch ähnlich hoch oder sogar höher als in Deutschland, was das Nettogehalt stark reduziert. In diesen skandinavischen Ländern liegt der Nettoanteil oft nur bei 50% bis 60% des Bruttogehalts, da hohe Steuern soziale Sicherungssysteme und umfassende öffentliche Dienstleistungen finanzieren.

Netto-Gehalt und Lebenshaltungskosten:
Ein weiteres wichtiges Element ist die Kaufkraft, also was das verbleibende Netto-Gehalt tatsächlich wert ist. In Deutschland sind die Lebenshaltungskosten im europäischen Vergleich moderat, besonders im Vergleich zu Städten wie Zürich oder Kopenhagen. Dies bedeutet, dass das Netto-Gehalt in Deutschland im Vergleich zu vielen anderen Ländern eine gute Kaufkraft bietet, insbesondere in weniger teuren Regionen außerhalb der Großstädte.

Während Deutschland im europäischen Vergleich solide Bruttogehälter bietet, wird ein erheblicher Teil durch Steuern und Abgaben aufgezehrt. Das führt dazu, dass das Netto-Gehalt in Deutschland im Verhältnis zum Brutto eher im Mittelfeld liegt. Trotzdem bleibt aufgrund moderater Lebenshaltungskosten, insbesondere im Vergleich zu Spitzenreitern wie der Schweiz, eine gute Kaufkraft erhalten. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern zeigt sich, dass die Steuerlast und die Kaufkraft wesentliche Faktoren sind, die das tatsächliche Einkommen beeinflussen und Deutschland in einem balancierten Licht erscheinen lassen.

EU-Länder mit günstiger Brutto-Netto-Relation: Warum Arbeitnehmer in einigen Ländern mehr Netto vom Brutto behalten

In Europa gibt es mehrere Länder, in denen Arbeitnehmer einen größeren Anteil ihres Bruttoeinkommens als Netto behalten. Dies liegt an unterschiedlichen Steuersystemen, Sozialabgaben und wirtschaftlichen Strategien der jeweiligen Länder. Hier ist ein tieferer Blick auf einige dieser Länder und die Gründe für ihre niedrigeren Steuern.

1. Schweiz: Die Schweiz ist bekannt für ihre niedrigen Steuern und Sozialabgaben im Vergleich zu vielen EU-Ländern. Je nach Kanton und Einkommen behalten Arbeitnehmer in der Schweiz etwa 70% bis 80% ihres Bruttoeinkommens. Die Schweiz hat ein dezentralisiertes Steuersystem, bei dem Steuern auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene erhoben werden. Diese Steuerhoheit ermöglicht es den Kantonen, konkurrenzfähige Steuersätze festzulegen, um Fachkräfte und Unternehmen anzuziehen. Zudem ist die Steuerlast in der Schweiz durch ein effizientes öffentliches Ausgabensystem und weniger umfangreiche staatliche Sozialprogramme relativ niedrig.

Trotz niedriger Steuern bietet die Schweiz hochwertige Sozialleistungen, jedoch sind viele dieser Leistungen stärker privat organisiert. Beispielsweise ist die Krankenversicherung obligatorisch, aber privat finanziert, was den Staatshaushalt entlastet. Renten und Sozialversicherungen sind ebenfalls gut ausgebaut, aber durch Arbeitnehmerbeiträge und privates Sparen ergänzt.

2. Luxemburg: Luxemburg bietet ebenfalls ein günstiges Verhältnis von Brutto zu Netto, mit einem Nettoanteil von etwa 65% bis 75% des Bruttoeinkommens. Luxemburg profitiert von seiner Rolle als internationales Finanzzentrum, das hohe Einnahmen generiert und dem Staat ermöglicht, die Steuerlast für seine Bürger gering zu halten. Zudem hat das Land eine relativ kleine Bevölkerung und einen hohen Anteil an wohlhabenden Einwohnern, was die Steuereinnahmen trotz niedrigerer Steuersätze stabil hält.

Luxemburg bietet umfassende Sozialleistungen, darunter eine starke Rentenversorgung und ein gut ausgestattetes Gesundheitssystem. Die hohe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes ermöglicht es, diese Leistungen zu finanzieren, ohne die Steuerlast übermäßig zu erhöhen.

3. Irland: In Irland behalten Arbeitnehmer etwa 65% bis 70% ihres Bruttoeinkommens, was ebenfalls auf ein moderates Steuersystem zurückzuführen ist. Irland hat in den letzten Jahrzehnten seine Steuerpolitik reformiert, um international wettbewerbsfähig zu bleiben und ausländische Investitionen anzuziehen. Die Unternehmenssteuer ist eine der niedrigsten in Europa, was zu einem starken wirtschaftlichen Wachstum und hohen Steuereinnahmen geführt hat, die den Staat entlasten. Diese wirtschaftliche Strategie erlaubt es Irland, die Einkommensteuern relativ niedrig zu halten.

Irland hat ein gutes öffentliches Gesundheitssystem und Sozialleistungen, allerdings ist das System weniger umfassend als in einigen anderen EU-Ländern. Viele Dienstleistungen, insbesondere im Gesundheitswesen, werden privat zugekauft, was den staatlichen Aufwand und damit die Steuerlast senkt.

4. Estland: Estland ist bekannt für sein einfaches und effizientes Steuersystem. Der einheitliche Einkommensteuersatz von 20% führt dazu, dass Arbeitnehmer etwa 70% ihres Bruttoeinkommens netto behalten. Estland hat eines der einfachsten und transparentesten Steuersysteme in Europa, das auf niedrigen und flachen Steuersätzen basiert. Die geringe Steuerbelastung fördert Unternehmertum und Investitionen, was zu einem dynamischen wirtschaftlichen Umfeld und stabilen Steuereinnahmen führt.

Die estnischen Sozialleistungen sind funktional, aber weniger umfassend als in westeuropäischen Ländern. Das Gesundheitssystem und die Rentenversorgung sind gut organisiert, aber teilweise weniger großzügig. Der Fokus liegt mehr auf Eigenverantwortung und privater Vorsorge, was die öffentliche Hand entlastet.

5. Großbritannien: Vor dem Brexit und auch danach hat Großbritannien eine moderate Steuerlast, die es Arbeitnehmern erlaubt, etwa 65% bis 70% ihres Bruttoeinkommens netto zu behalten. Großbritannien hat traditionell eine liberalere Wirtschaftspolitik verfolgt, die auf niedrigeren Steuern und einer schlanken Verwaltung basiert. Auch nach dem Brexit versucht das Land, durch moderate Steuern wettbewerbsfähig zu bleiben und Unternehmen sowie Fachkräfte anzuziehen.

Das britische Sozialversicherungssystem ist gut ausgebaut, insbesondere mit dem National Health Service (NHS). Die Steuersätze sind jedoch relativ moderat, da das Land sich stärker auf private Vorsorge und Eigenverantwortung der Bürger stützt. Dies erlaubt es, die Steuerlast für den Einzelnen im Vergleich zu anderen europäischen Ländern geringer zu halten.

Die Länder mit einer besseren Brutto-Netto-Relation haben oft ein effizienteres und weniger umfangreiches Sozialsystem, was zu niedrigeren Steuer- und Abgabenlasten führt. Diese Staaten stützen sich stärker auf privates Engagement und Eigenverantwortung der Bürger, während sie gleichzeitig wirtschaftliche Bedingungen schaffen, die hohe Einnahmen ermöglichen, ohne die Steuerlast auf die Arbeitnehmer zu verlagern. Trotzdem bieten sie oft hohe Lebensqualität und ausreichende soziale Sicherheit, was sie besonders attraktiv macht.